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      IAA 2021: Diese Reifen sind eine Weltpremiere
      Veränderung liegt in der Luft und ist gut für die Atmosphäre

      Löwenzahn und Reishülsen: Was sich anhört wie ein Salatrezept auf einer Mittagskarte in Berlin Mitte, sind Bestandteile für das neue Reifenkonzept Conti GreenConcept von Continental, das nachhaltig, leicht und effizient ist. Bei der diesjährigen IAA wurde die innovative Konzeptstudie das erste Mal vorgestellt, eine Premiere. Aber fangen wir von vorne an: Die öffentliche Diskussion um nachhaltige Mobilität dreht sich meistens um den Antrieb. Aber der macht ein Fahrzeug noch lange nicht grün. Ein durchschnittliches Auto besteht aus etwa 10.000 Einzelteilen, für die wir nachhaltige Rohstoffe und umwelt-freundliche Herstellungsprozesse brauchen. Denn nicht nur in der Nutzungsphase, son-dern auch in der Produktionsphase entstehen Umwelteinwirkungen.

      Veränderung liegt in der Luft und ist gut für die Atmosphäre

      Die Automobilbranche steht vor einem Paradigmenwechsel. Christoph Herrmann ist Professor für Nachhaltige Produktion und Life Cycle Engineering an der TU Braunschweig. Er formuliert es so: „Es findet ein Umdenken statt. Ökologische Nachhaltigkeit wird zu einem neuen Normal. Die Autoindustrie läuft sonst Gefahr, die Legitimation in der Gesell-schaft zu verlieren. Es wächst eine Generation heran, die ein umfassendes und tief gehendes Nachhaltigkeits-Verständnis besitzt. Diese Generation sind die Kunden von morgen. Und diese Kunden stellen neue Ansprüche an die Produkte und die produzierenden Unternehmen. Wer erfolgreich bleiben will, muss sich an die Spitze dieser Bewegung setzen.“

      Nachhaltiges und verantwortungsbewusstes Wirtschaften ist seit vielen Jahren integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie und -entwicklung von Continental. Im Zentrum der Nachhaltigkeitsstrategie stehen die vier strategischen Themen Klimaschutz, saubere Mobilität, zirkuläres Wirtschaften und nachhaltige Lieferketten. Um den Reifen der Zukunft noch energiesparender und umweltfreundlicher in Herstellung, Einsatz und Recycelbarkeit zu machen, investiert Continental konsequent in die Forschung und Entwick-lung neuer Technologien, alternativer Materialien und umweltschonender Produktionsverfahren.

      Mit dem Conti GreenConcept vereint der Reifenbereich von Continental aktuelle und zukünftige Technologien zum Bau nachhaltiger Pkw-Reifen und gibt so einen weiteren Einblick in seine vielfältigen Nachhaltigkeitsaktivitäten. Die Entwicklungsingenieure und Materialexperten von Continental haben das innovative Reifenkonzept auf drei Wirkungsebenen konsequent umgesetzt: ein besonders hoher Anteil nachverfolgbarer, nachwachsender und recycelter Materialien, eine innovative ressourcenschonende Leichtbautechnologie und eine Verlängerung der Lebensdauer durch einen erneuerbaren Laufstreifen.

      „Mit dem Conti GreenConcept unterstreichen wir unser Ziel, bis zum Jahr 2030 das fortschrittlichste Reifenunternehmen in Bezug auf ökologische und soziale Verantwortung zu sein – und das entlang der gesamten Wertschöpfungskette“, sagt David O‘Donnell, der bei Continental das weltweite Reifenerstausrüstungsgeschäft verantwortet.

      Das Conti GreenConcept besteht zu mehr als der Hälfte aus nachwachsenden oder recycelten Materialien. Das Ziel von Continental ist es, bis spätestens 2050 vollständig auf nachhaltig erzeugte Materialien in ihren Reifenprodukten umzustellen.

      Als nachhaltig sind dabei alle Materialien definiert, die aus einem geschlossenen Materialkreislauf stammen, keine schädlichen Auswirkungen auf Menschen und Umwelt haben, verantwortungsvoll beschafft werden, und entlang der Lieferkette klimaneutral sind. Der Anteil der im Conti GreenConcept eingesetzten nachwachsenden Rohstoffe beträgt 35 Prozent. Zu den verwendeten Bio-Materialien gehören unter anderem Naturkautschuk aus Löwenzahn, Silikat aus der Asche von Reishülsen sowie pflanzliche Öle und Harze. So kann der Anteil an rohölbasierten Materialien deutlich vermindert werden. Neben Naturkautschuk werden bestimmte Materialien, wie recycelter Kautschuk oder pflanzliche Öle, bereits heute in größerem Umfang in der weltweiten Reifenproduktion von Continental eingesetzt.

      Löwenzahn als alternative Rohstoffquelle

      Kautschuk ist ein Rohstoff für den wir dringend eine nachhaltige Alternative brauchen. Aktuell wird er zu großen Teilen aus dem Milchsaft eines Baums mit dem botanischen Namen Hevea brasiliensis gewonnen, der aus den Tropen kommt. Er wird aber hauptsächlich in Südostasien angebaut. Weil der Rohstoff weltweit sehr begehrt ist, wird er intensiv gezüchtet. Das ist für die Umwelt problematisch, denn dabei werden viele Pestizide genutzt und die Bäume haben einen hohen Wasserbedarf. Das führt dazu, dass der Grundwasserspiegel sinken kann. Das größte Problem ist aber, dass riesige Flächen von tropischen Wäldern, zum Beispiel in Thailand und Indonesien, abgeholzt werden, um für die Kautschuk-Bäume Platz zu machen. Hinzu kommt, dass die Bäume sehr anfällig sind für Pilzbefall, was schnell auf ein ganzes Anbaugebiet übergreifen kann und die Kautschuk-Ernte dauerhaft gefährdet. Es gibt synthetischen Ersatz auf Erdölbasis, der aber aus Nachhaltigkeitsaspekten nicht sinnvoll ist.

      Ein zentrales Anliegen von Continental ist es, Naturkautschuk künftig nicht mehr ausschließlich aus den Tropen zu importieren, sondern in größtmöglicher Nähe zu den Reifenwerken herzustellen, um die fortschreitende Entwaldung zu verhindern und die durch lange Transportwege entstehenden CO2-Emissionen zu reduzieren. Daran arbeitet das Unternehmen gemeinsam mit Partnern seit 2011 in seinem Taraxagum-Projekt.

      Das Taraxagum-Forschungslabor in Anklam, Mecklenburg-Vorpommern:

      Neben dem Reifenkonzept Conti GreenConcept, das Continental am eigenen Messestand auf der diesjährigen IAA MOBILITY präsentiert, stattet das Unternehmen das ebenfalls auf der Messe präsentierte Concept Car ID. LIFE von Volkswagen mit einem Konzeptreifen aus. Er enthält umweltschonende Reifenbautechnologien, deren Einsatz in der Serienproduktion kurzfristig möglich ist.

      Basierend auf dem Continental-Serienreifen EcoContact 6 punktet dieser Konzeptreifen mit einem sehr niedrigen Rollwiderstand (EU-Label A) und erhöht so die Reichweite des ID. LIFE. Durch den gezielten Einsatz nachwachsender und recycelter Materialien mit einem Anteil von 37 Prozent schont er darüber hinaus wertvolle Ressourcen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Die verantwortungsvolle Beschaffung der Rohmaterialen trägt dazu bei, ökologische und menschenrechtsbezogene Risiken zu minimieren.

      Die Seitenwand des EcoContact 6 ist mit dem Schriftzug „Responsibly Sourced Rubber“ (verantwortungsvoll beschafter Kautschuk) versehen und unterstreicht die vielfältigen Aktivitäten von Continental hinsichtlich einer transparenten und rückverfolgbaren Beschaffung von Naturkautschuk.

      Darüber hinaus setzt Continental sich aber auch mit verschiedenen strategischen Projekten aktiv für mehr Nachhaltigkeit bei der Gewinnung von Naturkautschuk in den Tropen ein. Denn das Unternehmen ist sich der umweltbezogenen, menschenrechtlichen und sozialen Risiken der gesamten Wertschöpfungskette für Naturkautschuk bewusst. Continental verfolgt daher unter anderem die Ziele, bessere Arbeitsbedingungen für die Kleinbauern zu schaffen, bestehende Regenwaldflächen zu schützen und durch digitale Systeme für mehr Transparenz und Wissen im Naturkautschuksektor zu sorgen.

      Lösungen zur besseren Nachverfolgbarkeit treibt das Unternehmen unter anderem als Gründungsmitglied der Global Platform for Sustainable Natural Rubber (GPSNR) gemeinsam mit Partnern aktiv voran. Zudem engagiert Continental sich in vielfältigen Projekten. Dazu gehört das Joint Venture Rubberway, das sich auf die Ermittlung von Nachhaltigkeitsrisiken in der Naturkautschuk-Lieferkette spezialisiert hat sowie die Kooperation mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), in der Continental in einem Projekt zum Training von Kleinbauern und der Einführung digitaler Rückverfolgungssysteme in der gesamten Lieferkette beitragen. Wie vor kurzem angekündigt, wird dieses Projekt mit der GIZ weiter ausgebaut. Bis 2024 soll so die Anzahl der beteiligten Kleinbäuerinnen und -bauern von 450 auf 4.000 erweitert werden.

      Recycelte PET-Flaschen in der Reifenproduktion

       

      Neben nachwachsenden Rohstoffen kommen beim Conti GreenConcept 17 Prozent wiederverwertete Materialien zum Einsatz. Neben aufbereitetem Stahl und Ruß verbaut Continental erstmals Polyester aus recycelten Kunststoffflaschen in der Karkasse eines Reifens. Continental plant, ab 2022 die schrittweise Einführung der ContiRe.Tex-Technologie zu ermöglichen und damit Polyestergarn aus wiederverwerteten PET-Flaschen in der Reifenproduktion einzusetzen. Labor- und Reifentests von Continental zeigen, dass Fasern aus Sekundärrohstoffen ebenso leistungsfähig sind wie die bisher verwendeten Fasern. Sie haben die gleiche Qualität wie PET-Neuware, sind ebenso stabil und aufgrund ihrer Bruchfestigkeit, Zähigkeit sowie thermischen Stabilität besonders gut für Reifen geeignet.

      Die PET-Flaschen werden dafür ohne bisher notwendige chemische Zwischenschritte in einem mechanischen Verfahren wiederaufbereitet, welches das Polyestergarn für die hohen mechanischen Anforderungen des Reifens funktionsfähig macht. Im Rahmen des sogenannten Upcyclings wird so aus einer PET-Kunststoffflasche ein PET-Hochleistungswerkstoff. Ein herkömmlicher Pkw-Reifen enthält heutzutage ca. 400 Gramm Polyestergarn. Umgerechnet auf einen Satz Fahrzeugreifen, können so zukünftig mehr als 60 PET-Flaschen wiederverwendet werden. Der Einsatz von recyceltem Polyester ist ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zum produktübergreifenden ressourcenoptimierten zirkulären Wirtschaften in der Reifenproduktion.

       

      "Abfall ist für uns zukünftiges Produktionsmaterial, denn im zirkulären Wirtschaften sehen wir das Modell der Zukunft."

      Claus Petschick,
      Leiter Nachhaltigkeit des Reifenbereichs von Continental

      „Abfall ist für uns zukünftiges Produktionsmaterial, denn im zirkulären Wirtschaften sehen wir das Modell der Zukunft. Das Engagement von Continental, diese Transformation aktiv zu gestalten und voranzutreiben, bietet uns einen Vorsprung für unser zukünftiges Geschäft und damit für unsere Zukunftsfähigkeit“, sagt Claus Petschick, Leiter Nachhaltigkeit des Reifenbereichs von Continental.

      Ein weiterer Nachhaltigkeitsbaustein im Materialmix des Conti GreenConcept ist COKOON. Diese spezielle Haftstoff-Technologie, die Continental gemeinsam mit ihrem Partner Kordsa entwickelt hat, ermöglicht die umweltfreundliche Verbindung von textilen Festigkeitsträgern mit Gummimischungen. Im Rahmen eines Open-Source-Ansatzes stellen beide Partner diese Technologie seit 2019 allen Akteuren in der Reifenindustrie unentgeltlich zur Verfügung.

      Kautschuk aus Löwenzahn ist preisverdächtig

      Dr. Carla Recker (Continental), Prof. Dr. Dirk Prüfer (Westfälische Wilhelms-Universität Münster) und Dr. Christian Schulze Gronover (Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie) sind mit dem gemeinsamen Projekt „Nachhaltige Reifen durch Löwenzahn – Innovationen aus Biologie, Technik und Landwirtschaft“ für den Deutschen Zukunftspreis 2021 nominiert. Der Bundespräsident zeichnet mit dem Deutschen Zukunftspreis jedes Jahr Einzelpersonen oder Teams für eine hervorragende technische, ingenieur- oder naturwissenschaftliche Innovation aus. „Die Nominierung ist eine große Ehre für uns. Sie bestätigt einmal mehr das Potenzial einer neuen Rohstoffquelle für Naturkautschuk. Gemeinsam mit unserem Projektnetzwerk konnten wir die Erforschung der gesamten Wertschöpfungskette des russischen Löwenzahns wesentlich vorantreiben“, betont Dr. Carla Recker, Leiterin des Fachgebiets Materialchemie des Reifenbereichs bei Continental

      Neben einem hohen Anteil nachwachsender und recycelter Materialien setzt Conti GreenConcept auch mit seiner innovativen Leichtbautechnologie neue Maßstäbe. So hat der Reifen ein Gewicht von nur 7,5 Kilogramm und ist somit bis zu 40 Prozent leichter als ein heutiger Standardreifen. Möglich wurde diese Gewichtsreduzierung durch ein optimiertes Profil des Laufstreifens, einer speziellen Seitenwand sowie einem neuartigen Karkassen-Aufbau samt gewichtsoptimiertem Kern. Diese Konstruktionsmerkmale sorgen in der Summe für einen deutlich niedrigeren Materialeinsatz und mehr Nachhaltigkeit im Fahrbetrieb.

      Mit seiner Leichtbauweise zielt das Conti GreenConcept insbesondere auf den Einsatz in künftigen sensorgestützten smarten Fahrzeugkonzepten mit ressourcenschonenden Antriebstechnologien ab. Künftig wird es so sein, dass Umfeldsensoren erkennen und erfassen, was um den Wagen herum passiert. Die Sensoren sammeln und verarbeiten Daten zu externen Bedingungen wie Wetter, den Straßenzustand, die Verkehrszeichen und natürlich andere Verkehrsteilnehmer. Auf diese Weise wird vor allem im Stadtverkehr eine sehr vorausschauende Fahrweise möglich, die Reifen nicht so stark abnutzt. So wird die Leichtbauweise von Reifen praktikabel und möglich.

      Gleichzeitig wurde der Rollwiderstand beim neuen Reifen reduziert, der Laufstreifen ist erneuerbar, was die Nutzungszeit weiter erhöht und im Inneren des Reifens befindet sich ein Continental-Sensor der neuesten Generation, der permanent Temperatur, Druck und Profiltiefe überprüft. Die Fahrerin oder der Fahrer hat immer den Überblick und noch mehr Optionen für einen ressourcenschonenden Fahrstil.

      Nachhaltig erzeugte Materialien sind die Zukunft der Reifenproduktion

      Klimaschutz und Wirtschaft, werden oft als Gegensätze betrachtet. Viele Menschen, die Klimaschutz unterstützen, sehen in der Wirtschaft ein Hindernis. Umgekehrt wird bei den Akteuren der Wirtschaft Klimaschutz nur als Belastung wahrgenommen. Beide Herangehensweisen behindern den notwendigen Fortschritt, den wir dringend brauchen.

      Angela Merkel hat die IAA 2021 mit der Bemerkung eröffnet: „Und diese Messe zeigt, wie eng Klimafreundlichkeit und Innovationskraft zusammengehören. Und wenn ich mich umsehe, bin ich ganz fest davon überzeugt, dass die Transformation zur Klimaneutralität für unser Land und für unsere Automobilindustrie ein Erfolg wird.“

      Auch Continental-CEO Nikolai Setzer betont auf der IAA: „Die Ergebnisse unserer Mobilitätsstudie belegen, wie groß weltweit weiterhin das Bedürfnis nach individueller Mobilität ist – gerade in Zeiten der Pandemie. Menschen genießen die Freiheiten der individuellen Mobilität und setzen zugleich auf Nachhaltigkeit und emissionsfreies Fahren. Dafür bieten wir wegweisende Lösungen.“ Continental hat sich auf den Weg gemacht, forscht und arbeitet weiter intensiv an der Mobilität der Zukunft. Das Conti GreenConcept ist dabei ein bemerkenswerter Schritt.

      Die IAA 2021 – eine Bilanz

      Über 400.000 Teilnehmer aus 88 Ländern in sieben Tagen. Das zeigt, dass Mobilität ein aktuelles Thema ist. Eines, das Emotionen weckt und relevant ist für Individualität, Gesundheit, gesellschaftliche Teilhabe, Wirtschaft und natürlich für das Klima. Es gab aber nicht nur Besucher, sondern auch Demonstrierende. Sie warfen der IAA und der Automobilindustrie vor, einen umweltschädlichen Wirtschaftszweig lediglich grün anzustreichen und forderten strengere Zügel von der Politik.

      Auf der Automobilmesse selbst ging es unter anderem auch um Mobilität auf zwei Rädern. So haben auch Fahrradhersteller in München ausgestellt. Insgesamt ist die inhaltliche Bilanz: Sharing Modelle, elektrische Antriebe, Automatisierung und ein Fokus auf CO2-neutrale Innovationen sollen unsere Mobilität klimaneutral machen.